Fehler, Vertrauen, Fortschritt

Fehler, Vertrauen, Fortschritt

Christian Witt // Berlin, 23. August 2023

Eine offene Fehlerkultur – nicht selbstverständlich. Daher ein Thema, an dem auch die BwConsulting stetig arbeitet. Und konkret wird: Unsere Kolleg:innen Annette, Franziska und Mustafa konzipierten hierzu ein Workshopformat und führten es schon ein gutes Dutzend Mal erfolgreich mit einzelnen Projekt- und Themenfeldteams durch. Eine Initiative mit speziell entwickelten Trainings, wodurch auch die in unserer BwConstitution definierten Leitsätze mit Leben gefüllt werden. Der zusätzliche Erfolg: Auch die Partner:innen im BMVg interessieren sich für unsere innovativen Ansätze zur offenen Fehlerkultur. Ein erster Workshop im Ressort hatte eine höchst positive Resonanz.

Zwei vermeintlich kleine Fehler waren passiert. Der Manager eines Beratungsunternehmens hatte in der Mail an den Head of Operations des großen Firmenkunden einen falschen Betreff gewählt. Zudem enthielt der Name des Adressaten in der Anrede einen Buchstabendreher. Der Mailempfänger in der Vorstandsetage schäumte aufgrund der groben Nachlässigkeiten zwar nicht vor Wut, es folgte keine sofortige, harsche Mail-Replik oder etwa eine Beschwerde bei der Unternehmensleitung. Die Zusammenarbeit beim nächsten Meeting war dennoch etwas diffiziler, bis eine kurze offene Aussprache, samt Entschuldigung, die Irritationen aus der Welt räumte..

 

„Fehler können jedem Menschen passieren. Man sollte offen damit umgehen und aus ihnen lernen. Und, nach Möglichkeit, im Team oder mit den Kolleg:innen nach Lösungen suchen, um diese in Zukunft zu vermeiden und gemeinsam besser zu werden“, sagt Senior Consultant Franziska. Und weil nicht nur in Konzernen durch Mailfehler ungewünschte Negativeffekte entstehen, fiel der Vorschlag eines jungen Consultants nach dessen Start in einem unserer Projektteams auf fruchtbaren Boden. Um den im Projekt gängigen Umgangston im Mailverlauf mit dem Kunden besser lernen zu können, schlug unser neuer Mitarbeiter vor, dass bestimmte Mails vor dem Versenden gegengelesen werden. Der Optimierungsvorschlag wurde umgesetzt. Vor dem Senden landet sensible elektronische Post nun zunächst im Entwurfordner - zur Kontrolle durch erfahrenere Kolleg:innen.

Fehler erkennen, Fortschritt gestalten

Fehler richten allerdings nicht nur Schaden an, sie wirken oftmals auch wie eine Initialzündung: für positive Entwicklungen. Ohne den zeitweise überhitzten und damit geschwächten Bakterienstamm zur Erforschung der Geflügelcholera hätte der Franzose Louis Pasteur im 19. Jahrhundert nicht den weltweit ersten Impfstoff entwickelt. Ohne den – während eines Experiments – geschmolzenen Schokoriegel in der Brusttasche hätte der amerikanische Ingenieur Percy Spencer keine Mikrowelle erfunden. Und ohne den Fehlversuch von Dr. Spencer Silver bei der Forschung nach einem Superkleber, verbunden mit der Idee eines anderen Einsatzzwecks durch den Produktentwickler Arthur Fry, gäbe es heute keine Post-its. Fehler für den Fortschritt.

Genau diese Gedanken hatte Manager Annette im Sinn, als sie begann, das Konzept für einen Workshop zu einer offenen Fehlerkultur zu entwickeln. Erste Ansätze gab es in unserem Unternehmen mit den sogenannten „Failabrations“ hierzu bereits. Eine Mitarbeitenden-Befragung hatte Annette zusätzlich sensibilisiert. In (anonymen) Aussagen bekundeten Kolleg:innen, dass es trotz unserer eigentlich als positiv bewerteten Unternehmenskultur bisweilen schwierig sei, mit Kolleg:innen oder Projektleiter:innen „offen über Fehler zu kommunizieren“ und deshalb „Potenziale ungenutzt bleiben“ würden.

 
 
 

Eine Person denkt, es ist ja gar nichts wirklich Schlimmes passiert, für die andere geht die Welt unter

 

Kurzentschlossen konzipierte Annette eine grobe Struktur und definierte Kernpunkte, als Grundlage für einen Workshop zur weiteren Förderung einer offenen Fehlerkultur in der BwConsulting. Gemeinsam mit Franziska und Senior Consultant Mustafa modifizierte sie vom Frühjahr 2022 an ein adaptiertes Drei-Säulen-Modell, in denen Impulse für die Implementation in einer Organisation definiert sind. Es geht dabei um Normen und Werte, Kompetenzen, Instrumentarien. Und es berücksichtigt Motivation, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Mitarbeitenden.

Pleiten, Pech und Pannen – wie komplex die Annäherung an die Thematik und danach das Aufsetzen eines Workshops war, ist Franziska nur zu genau in Erinnerung. „Zum einen gab es keine einheitliche Definition des Begriffs Fehler“, zum anderen sei es so gewesen, dass Missgriffe, Inkorrektheiten oder Arbeitsmängel sehr unterschiedlich von den Mitarbeitenden eingeordnet werden würden. „Eine Person denkt, es ist ja gar nichts wirklich Schlimmes passiert“, erläutert Franziska „für die andere geht die Welt unter."

Vertrauen auf-, Schamgefühle abbauen

Zudem gebe es qualitative Unterschiede in der Fehlerdiagnostik, die berücksichtigt werden müssten. „Wenn jemand bei Rot über die Ampel geht, weiß die Person, dass sie absichtlich einen Fehler macht, nimmt also billigend negative Folgen für den Zeitgewinn-Vorteil in Kauf“, erklärt Annette. Fehler, die aus Versehen, Nachlässigkeit oder mangelnder Sachkenntnis – gewissermaßen unabsichtlich – passierten, müssten anders eingeordnet werden.

Umso wichtiger sei die Umsetzung in der Praxis und in einem Projektteam. „Eine gute und offene Kommunikation ist die Basis“, sagt Franziska, „Es gilt, eine gemeinsame Definition von Fehlern und dem Umgang mit diesen zu finden. Es geht darum, Vertrauen auf- und Schamgefühle abzubauen, um im Fall von unbeabsichtigten Fehlern gemeinsam im Projekt darüber sprechen zu können.“ Keiner der Mitarbeitenden solle fürchten, sie oder er könne an den Pranger gestellt, ein Ziel von „fingerpointing“ werden.

Interne Kompetenzen stärken

Mit einer ganzen Reihe von Impulsen will die BwConsulting dazu beitragen, Problemlösungsfähigkeiten und -methoden in der Bundeswehr zu stärken.

Eine Auswahl:

Austausch über Strategie & Innovation

Innovation mit Methode

Impulse zur kulturellen Transformation

So entstand die Workshop-Initiative, für die intern wieder das Etikett „Failabration“ aufgegriffen wurde, und die darüber hinaus exakt passt zu den Zielen unserer offenen Unternehmenskultur und der BwConstitution. Respekt und Vertrauen, vorurteilsfreies Handeln und Kommunizieren bilden das Fundament, auf dem eine offene Fehlerkultur wachsen kann und soll.

Erfolgreicher Workshop mit BMVg-Partner:innen 

Welche Vorteile für die Teamarbeit durch den vertrauensvollen und konstruktiven Umgang mit individuellen Fehlern entstehen, haben auch schon einige Projektpartner:innen im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) bei einem ersten, von uns durchgeführten Workshop erfahren. Wichtige Erkenntnisse waren: Wer wegen eines Fehlers Angst um seine Karriere haben muss, der wird diesen in der Regel nicht umgehend kommunizieren oder sogar versuchen, diesen zu vertuschen. Wer Angst hat, Fehler zu machen, wird sich auch kaum trauen, wichtige Entscheidungen zeitnah zu treffen. Und: Wer Fehler nicht offenlegen kann, riskiert damit ein wiederholtes Eintreten an anderer Stelle.

Mutig und angstfrei die Zeitenwende gestalten

Ein Szenario, das sich gerade bei der Zeitenwende so nicht ereignen soll. Schließlich wird die Umsetzung und der Erfolg des am 26. April 2023 von Verteidigungsminister Boris Pistorius ausgegebenen Tagesbefehls zur Beschleunigung des Beschaffungswesens auch davon abhängen, ob die verantwortlichen Entscheider:innen mutig und angstfrei ihre Projekte, wie gewünscht, forcieren.

Der Anfang ist gemacht, in der BwConsulting haben die „Failabrations“ Fahrt aufgenommen, im BMVg ist der Start gelungen. „Wir haben den Wunsch und das Ziel, dass eine offene Fehlerkultur bei uns in jedem Projekt von Anfang an kommuniziert und gelebt wird“, sagt Annette. Und rät dabei zu einem langen Atem. „Kulturmaßnahmen sind kein Sprint“, erläutert sie mit einem Augenzwinkern, „das ist ein Marathon.“