Virtueller #insights

Drehscheibe Deutschland – Deutsche Führungsleistung in ausgewählten Enabler-Projekten

Virtueller #insights

Drehscheibe Deutschland – Deutsche Führungsleistung in ausgewählten Enabler-Projekten

BM // Berlin, 29.04.2020

Wie kann Deutschland Military Mobility und seine Rolle als Host Nation im Bündnis stärken? Und wie muss die deutsche Führungsleistung ausgestaltet sein, um multinationale Kooperationen erfolgreich werden zu lassen? Diese Fragen rund um die Rolle Deutschlands als strategische „Drehscheibe“ bei der Bündnisverteidigung diskutierten die gut 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Austauschformats #insights der BwConsulting. Insbesondere für die Frage nach der Führungsleistung konnten wir mit Stephan Klaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, einen Experten für den erstmalig als interaktive Video-Konferenz durchgeführten Dialog gewinnen.

Military Mobility

Unter dem Begriff „Military Mobility“ versteht man die Mobilität via Land, Luft oder See von militärischem Personal, Material und sonstigen Gütern und Leistungen.

Host Nation Support

Die Unterstützung alliierter oder befreundeter Streitkräfte im eigenen Land wird als „Host Nation Support“ (HNS) bezeichnet. Entsprechend sind Military Mobility und HNS untrennbar voneinander.
Das Format #insights

#insights steht in einer Reihe von Maßnahmen, mit denen die BwConsulting als Inhouse-Beratung den Austausch mit zivilen und militärischen Experten und Bereichen des Verteidigungsressorts forciert. So haben beispielsweise mehrere Beraterinnen und Berater an der InfoDVAG der Marine oder der Luftwaffe teilgenommen. Zudem konnten wir Generalleutnant Alfons Mais, damals noch Kommandierender General des I. Deutsch-Niederländischen Korps, und den estnischen Verteidigungsattaché Oberstleutnant i.G. Martin Kukk für Gespräche in unserem Hause gewinnen. Außerdem erhielt ein junges Nachwuchsteam im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr besondere Einblicke in die Bundeswehrgeschichte. Und ein besonderes Highlight war das mehrmonatige „Job Shadowing“ von Brigadegeneral Wolfgang Gäbelein, jetzt Amtschef des Planungsamtes der Bundeswehr, bei der BwConsulting.
Bis zum Ende des Kalten Krieges waren Military Mobility und Host Nation Support in der NATO gelebte Praxis. Doch mit Ende des Kalten Krieges haben sowohl das Interesse als auch die Notwendigkeit einer schnellen Truppenverlegung innerhalb Europas stark abgenommen. Durch die sicherheitspolitischen Entwicklungen und Zunahme an Bedrohungen haben NATO und Bundeswehr den Fokus wieder mehr auf Landes- und Bündnisverteidigung verlegt. Die Zusammenarbeit der europäischen Staaten und damit die schnelle Verlegbarkeit von Truppen und Material haben damit deutlich an Bedeutung gewonnen. Beides gilt als Voraussetzung für eine verstärkte Reaktionsfähigkeit im Bündnis und wird als ein glaubwürdiges Abschreckungspotential gesehen.

Deutschland als Drehscheibe für militärische Transporte

Die Gewährleistung von Military Mobility ist aus europäischer und deutscher Sicht ein ambitioniertes Vorhaben, da es mit dem gesamten Gebiet der EU einen großen geographischen Raum abdeckt und die Verlegefähigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Vor allem ressourcenreiche Staaten, wie beispielsweise Deutschland, sollten dabei mehr Verantwortung übernehmen und dem Thema eine herausragende Bedeutung beimessen: „So könnte Deutschland sich aufgrund der Lage in der Mitte Europas als internationale Drehscheibe für militärische Transporte etablieren. Auf diese Weise wird die eigene Glaubwürdigkeit und das Engagement innerhalb der Verteidigungsbündnisse gestärkt.“, zitiert Christian Fischbach, Principal und Leiter des Themenfelds Strategie bei BwConsulting, aus dem aktuellen Positionspapier „Drehscheibe Deutschland“ seines Themenfelds in seiner Einführung des #insights.

Es würden zwar bereits heute verstärkt militärische Großübungen regelmäßig im Rahmen von NATO Übungen, wie TRIDENT JUNCTURE, abgehalten, bei denen militärisches Großgerät durch Deutschland zum Übungsort transportiert würde. Jedoch machten diese Übungen in Verbindung mit Erfahrungen aus bisherigen Verlegungen deutlich, dass noch einige rechtliche, verfahrenstechnische und infrastrukturelle Herausforderungen zu beseitigen seien, um Military Mobility wieder vollumfänglich gewährleisten zu können. Und hier liegt nach Christian und seinem Team die Chance für Deutschland, sich in diesem Rahmen umfassend zu engagieren und seine Fähigkeit als Host Nation weiter zu stärken. Mit den im Positionspapier beschriebenen Optimierungshebeln

  • 1) Kohärenz stärken und Geschwindigkeit der Initiativen erhöhen,
  • 2) Bilaterale und ressortübergreifende Abstimmungen stärken und
  • 3) die Wirtschaft umfassender als Partner verstehen und entsprechende Mechanismen entwickeln,
könnte dies gelingen. (Anm. d. Red.: Das zehnseitige Positionspapier ist derzeit noch nicht öffentlich verfügbar, bei Interesse steht Christian Fischbach als Ansprechpartner zur Verfügung)

Deutschlands Führungsleistung

Deutschland zeige durch seine Beteiligung an PESCO-Projekten und Initiativen im Rahmennationenkonzept (Framework Nations Concept, FNC) der NATO seine Bereitschaft, als Rahmennation Führungsverantwortung zu übernehmen. Mit diesem ersten Befund stieg Stephan Klaus in seinen Impuls zu Deutschlands Führungsleistung ein.

„Aber hat sich Deutschland sowohl in der NATO als auch in der EU aktiv mit diesen Konzepten zur Lösung von sicherheitspolitischen Problemen erfolgreich eingebracht? Kann seine politische Führungsleistung insgesamt somit als hoch bewerten werden? Oder ist die politische Führungsleistung Deutschlands eher als gering zu bewerten, da Deutschland, durch den seit 2014 gestiegenen Druck innerhalb der NATO und EU, notgedrungen die Führung von souveränitätsschonenden Nischenprojekten mit geringer Reichweite und geringem Erfolg in Bezug auf Bekanntheit und Abschreckung übernommen hat?“, fragt Stephan Klaus. Diese beiden Thesen in Verbindung mit den Ansätzen der Leadershipforschung sind Gegenstand seines aktuellen Dissertationsprojekts „Deutsche Führungsleistung in ausgewählten Teilprojekten von FNC und PESCO“, das er den Teilnehmenden des virtuellen #insights vorgestellt hat.

Klaus‘ Forschungsprojekt ist noch in der Konzeptionsphase, jedoch gaben seine Fragestellungen den Impuls für eine anschließende rege Diskussionsrunde unter den Consultants. Es zeigte sich, dass das Thema genau ihren Nerv getroffen hat. Denn viele von ihnen beraten Projekte, die im Kontext Landes- und Bündnisverteidigung, EU und NATO zu verorten sind.

Es bleibt spannend, zu welchem Ergebnis Stephan Klaus in seinem Forschungsprojekt kommen wird. Auf jeden Fall gäbe es einen erneuten Anlass für eine #insights-Fortsetzung zu diesem Thema bei uns im Berliner Office oder virtuell.

Christian Fischbach führt in das Thema des #insights ein

Virtueller #insights mit Gastredner Stephan Klaus von der Uni Halle