Christian Witt // Berlin, 11. Oktober 2022
Mit einem ambitionierten Pilotprojekt wollen wir als interne Beratung den Austausch im Verteidigungsressort weiter forcieren: Senior Consultant Estella Amendt und Oberleutnant Tobias Beynio haben deshalb für eine Zeit lang ihre Einsatzplätze getauscht. Unsere Beraterin ist seit Mitte August für knapp drei Monate an die Lucius-D.-Clay-Kaserne im niedersächsischen Garlstedt, nahe Bremen, gewechselt und arbeitet dort mit an einem Projekt der Logistikschule der Bundeswehr. Der Offizier dagegen kam zum gleichen Termin für sieben Wochen zu uns nach Köln, um hier an einigen unserer Projekte mitzuwirken. Ein Wechsel, der beiden tiefe Einblicke in den Alltag des jeweiligen Partners ermöglicht hat.
Eigentlich dachte Estella Amendt, dass sie am dritten Tag in der neuen Umgebung schon genug Aufregendes für die nächsten Wochen und Monate erlebt hatte. Unsere Senior Beraterin war Mitte August für ein knapp dreimonatiges Austauschprogramm an die Logistikschule der Bundeswehr in die Lucius-D.-Clay-Kaserne gekommen, um noch mehr als in einem klassischen Projekt darüber zu erfahren, wie unsere Projektpartner:innen ticken. Man hatte ihr eine Unterkunft mit kleiner Küchenzeile und eigenem Bad im „Mutter-Kind-Gebäude“ zugewiesen, sie flugs mit ihrem neuen Projekt „Modernes Lernen“ vertraut gemacht. Der zuständige Projektoffizier war mit Estella ins etwa 30 Kilometer nördlich gelegene Bremen gefahren, um ihr kurz die Stadt vorzustellen. Und sogar der Kommandeur, Brigadegeneral Boris Nannt, hatte die 28-jährige studierte Soziologin schon begrüßt.
Und dann kam Tag drei und die Frage: Frau Amendt, wollen Sie nicht mal einen Schwerlast-Transporter fahren? Estella wollte. Sie brummte mit dem mächtigen Gefährt ein Stück weit über das Schulgelände, stieg nahezu überwältigt aus. Um gleich die nächste Schockfrage zu kassieren. Ein Soldat, der die Szene beobachtet hatte, kam zu ihr, sagte „Ich hätte da noch was für Sie“ – und zeigte lächelnd auf den in der Nähe stehenden Kampfpanzer Leopard 2.
"Beängstigend" gut
„Ich bin dann diesen Fahrschul-Leopard tatsächlich auch gefahren – natürlich mit Unterstützung des Soldaten“, erzählt Estella, deren Stimme in Erinnerung daran noch heute vibriert. „Und ich muss sagen: Er war schneller als gedacht. Und beim Wenden muss man Gas geben, ganz anders als beim Autofahren.“ Ihr Fazit: „Ein bisschen beängstigend war es, aber ein absolut einmaliges, spannendes Erlebnis.“
Derart Spektakuläres hat Tobias Beynio verständlicherweise nicht zu berichten von seinen ersten Tagen im Austauschprogramm an unserem Hauptsitz. Es sind andere Ereignisse, die den Oberleutnant rund um das Onboarding in Köln und an seinen ersten Arbeitstagen bei der BwConsulting bewegten oder faszinierten. „Nachdem ich mit offenen Armen empfangen und überaus freundlich aufgenommen worden war, musste ich mich erstmal an zwei Neuerungen gewöhnen: Am Morgen in ein Business-Casual-Outfit statt in den Dienstanzug zu schlüpfen. Und dann an die Duz-Kultur bei der BwConsulting“, erzählt Tobias. „Das war natürlich etwas gänzlich Neues für mich im Vergleich zur Bundeswehr. Aber nach ein paar Tagen eine runde Sache, weil so viel Gutes damit einhergeht: dass man grundsätzlich respektvoll miteinander umgeht, dass man trotz unterschiedlicher Verantwortlichkeiten stets auf Augenhöhe kommuniziert.“
Durchblick trotz Duzen
Die Crux allerdings für einen Menschen, der daran gewöhnt ist, penibel auf Dienstgrad und Befehlsstrukturen zu achten: „Ich habe wegen des Duzens anfangs immer erst mal versucht, die richtigen Zuordnungen herauszufinden, welches „Standing“ oder welche Position ein Mitarbeitender bei der BwConsulting hat, wer Projektleiter:in, Manager:in oder beispielsweise Senior Consultant ist.“ Kurze Vorstellungsrunden nahmen Tobias die Unsicherheit.
Zwei in einem Tauschprogramm
Estella Amendt
Jahrgang 1994
Ausbildung: Bachelor in Political and Social Studies an der Universität Würzburg; MA in Wirtschaftssoziologie an der Universität Trier
BwConsulting: Praktikum bis Oktober 2018 in der Agenda Nutzung; seit Oktober 2019 fest angestellt, inzwischen Senior Consultant
Hobbies: Skifahren, Wandern, Lesen
Tobias Beynio
Jahrgang 1994
Ausbildung: Abitur; BWL-Studium an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg
Bundeswehr: seit 2013 – aktuell an der Bw-Logistikschule in Garlstedt / Osterholz-Scharmbeck
Aktueller Dienstgrad: Oberleutnant
Hobbies: Crossfit, Wandern
„Wenn man genauer und besser versteht, wie der andere tickt, befördert das zwangsläufig die Qualität der Zusammenarbeit“
Zum Pilotprojekt kamen Estalla und Tobias durch unterschiedliche Verfahren. Bei uns wurden verschiedene Senior Consultants angefragt, ob sie sich einen dreimonatigen Rollentausch vorstellen könnten und für diese Zeit auch in die Lucius-D.Clay-Kaserne „einrücken“ wollten. „Die Kolleg:innen sollten mindestens drei Jahre mit dem Beratungs-Konzept der BwConsulting vertraut sein“, erklärt Estella, „zudem grundsätzlich mit Kultur, Abkürzungen und weiteren wichtigen Details der Bundeswehr“. Es gab mehrere Interessenten, daher musste schlussendlich das Los entscheiden – „Und ich hatte das Glück, gezogen zu werden“, erzählt Estella.
Vorteil BWL-Studium
An der Bundeswehr-Logistikschule wurde ebenfalls gewissenhaft nach Kandidaten geforscht – und schnell fiel die Wahl auf Tobias, der, kaum, dass er von dem spannenden Rollentausch-Projekt gehört hatte, auch sein Interesse bekundete. „Ich wurde wohl auch deshalb von unserem Dezernatsleiter an der Logistikschule ausgewählt“, erklärt er, „weil ich während meines BWL-Studiums schon Erfahrungen in punkto Projektmanagement gesammelt hatte“. Zudem läuft seine Dienstzeit bei der Bundeswehr noch bis zum 30. September 2024. „Dadurch besteht keine Gefahr“, erläutert Tobias, „dass meine Erkenntnisse sowie die guten Netzwerkbeziehungen, die jetzt zur BwConsulting entstehen, gleich wieder verloren gehen“.
Denn auch darum geht es schließlich bei diesem Positionswechsel-Projekt, abseits aller ungeahnter abenteuerlicher Sensationen für die beteiligten Personen: Mit gemeinsamer Arbeit auf fremdem Terrain das Verständnis füreinander vertiefen – und daraus resultierend: das gegenseitige Verständnis zwischen zwei Teilen im gleichen Ressort zu optimieren. Zumal sich der Erfahrungsschatz von Estella und Tobias zurück an ihren angestammten Einsatzplätzen, wie beide auch betonen, sicher multiplizieren wird, indem sie ihr Wissen und ihre tiefen strukturellen Einblicke an die Kolleg:innen und Kamerad:innen weitergeben.
Klares BwConsulting-Konzept
„Grundlegende Ziele des Austauschs sind die Verbesserung unserer Beratungskompetenz, die Erweiterung unserer Kundenkenntnis, die Profilschärfung der BwConsulting im Geschäftsbereich BMVg sowie der Ausbau unserer Netzwerke“, präzisiert Andreas Block, der für die BwConsulting das Konzept für den Personal-Austausch begleitet, noch einmal die Intention für das Pilotprojekt. Und als Regierungsdirektor sich selbst gerade in einem Rollentausch befindet. Bei der Bundeswehr sei unser Wunsch, als Inhouse-Berater auf diesem Wege noch tiefere Kenntnisse über die Dienstwege, Arbeitsweisen und Produkte unserer Projektpartner:innen zu erfahren, im Jahr 2021 überaus positiv aufgenommen worden. „In der Folge“, so Andreas, „haben wir im Rahmen eines internen Innovationsprojekts mit dem Namen BwConsulting 2.0 die Idee eines Personalaustauschs entwickelt.“
Um die Kenntnisse über die BwConsulting im Gegenzug auch bei der Bundeswehr zu vertiefen, hat Estella gleich in den ersten Wochen ihres Aufenthalts in der Lucius-D.Clay-Kaserne einen Vortrag beim Leitungspersonal der Schule gehalten. Und dabei unsere Inhouse-Beratung detailliert vorgestellt: unseren Beratungsansatz und Strukturen, die Projekte, in welchen Bereichen diese aufgesetzt sind und, und, und. „Das war natürlich hochinteressant für sie, einen umfassenden Einblick in unsere tägliche Arbeit als BwConsulting zu erhalten“, sagt Estella.
Interne Kompetenzen stärken
Mit einer ganzen Reihe von Impulsen will die BwConsulting dazu beitragen, Problem-
lösungsfähigkeiten und -methoden in der Bundeswehr zu stärken.
Eine Auswahl:
Innovationen - und wie man sich ihnen strategisch nähert
Impulse zur kulturellen Transformation
„Die Offiziere an der Logistikschule fanden es deshalb sehr wichtig, dass wir als BwConsulting mit diesem Rollentausch den Willen und Wunsch zeigen, sich in ihren Kosmos reinzufuchsen, um die Beratungsleistung vielleicht noch besser machen zu können.“
Sachlich, fachlich ist Estella an der Logistikschule im Team für das Projekt „Modernes Lernen“ verortet. „Es existiert seit Januar 2021 und ist maßgeblich von Brigadegeneral Boris Nannt angestoßen worden. Die Corona-Pandemie war dann der Katalysator für dieses Projekt, zumal die Logistikschule in Garlstedt eine Präsenzeinrichtung ist“, erläutert sie. Dazu sei es wichtig gewesen, bestimmte Prämissen zu klären: Wie können Trainingsinhalte digital vermittelt werden? Den nächsten Folgeschritt daraus zu entwickeln: Wie kann das digitale Wissensmanagement optimiert werden, dass Kurs- und Trainingsunterlagen auch digital verfügbar sind? Dazu einen Fokus legen auf kompetenzorientierte Ausbildung, dass die Lehrgangsteilnehmer aktiviert werden, verstärkt selbstständig zu lernen.
Ein Ritterschlag
Eine Vielzahl an zu beachtenden Faktoren, Estella nennt kurz und knackig die drei wichtigsten: „Digitalisierung, Wissensmanagement und KOA, also die Kompetenzorientierte Ausbildung“. Man spürt bei ihren Worten, wie tief und versiert sie sich inzwischen in der Materie bewegt. Ein Ritterschlag der besonderen Art für sie: „Ich darf auch Impulse für den Abschlussbericht zum Projekt geben“, sagt Estella, „der am 2. November vorgestellt und ausgeteilt wird.“
Tobias ist bei uns in Köln in zwei Projekte eingebunden worden: "Weiterentwicklung & Etablierung Supply Chain Management“ und "Industrieunterstützung Logistik im Kontext Landes- und Bündnisverteidigung". Er erläutert, dass es dafür vorab schon Gespräche gegeben habe, ob er während des Austauschprogramms vielleicht am besten in Projekten eingesetzt werden könnte, die einen logistischen Bezug haben. Ist passiert, die Synergien können in der Zukunft an der Logistikschule der Bundeswehr wirken.
Keine Ellenbogen
Tobias war während seiner Zeit bei uns auch an Gesprächen mit den Auftraggebenden im BMVg beteiligt. Und für ihn waren diese Meetings bei den Projektpartner:innen ebenso erweiternd wie die harmonische und effektive Zusammenarbeit innerhalb der BwConsulting. Dort hatte er „eigentlich etwas mehr von einer „Ellenbogengesellschaft“ oder „Ellenbogenkultur“ erwartet, Zustände wie man sie in Unternehmen vermutet, außerhalb der Zone der Kameradschaft.“ Stattdessen fühlte sich Tobias „von Tag eins an sehr gut abgeholt bei der BwConsultant, weil ich sehr schnell von den Manager:innen in die Projekte eingebunden und von den Consultants eingearbeitet worden bin“.
Ähnlich positiv berichtet Estella, die weit über ihre Erwartungen hinaus „zum Einsatz“ kam. Als wir mit ihr über das Rollentausch-Projekt sprechen, hat sie gerade eine Pause, danach ist sie mit der Logistikschule wieder unterwegs auf einer Ausbildungsmesse an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. „Ich hatte gerade ein Gespräch mit einem schweizerischen Oberst zu unserem Projekt Modernes Lernen“, erläutert sie noch kurz.
Estella im "Grünzeug"
Auf dieser Messe zu kommunizieren und die Inhalte des neuen Logistikschul-Projekts nach außen zu tragen, den Prozess und das Konzept für moderne Ausbildungsmöglichkeiten transparent zu machen – ebenfalls eine erweiternde Erfahrung für Estella, die bei der Bundeswehr weitestgehend auch im gewohnten Business-Casual-Dress ihre Aufgaben erledigte. „Es sei denn, es ging in die sogenannte „Raumbeziehung“, „zum Beispiel in den Wald, auf einen Marsch oder zum Schießen, das war nicht wirklich gut in Anzughose und weißer Bluse zu machen“, witzelt Estella. Deshalb habe sie von der Bundeswehr auch die dafür entsprechende Kleidung erhalten, das sogenannte „Grünzeug“, damit sie auch bei derlei Übungen „richtig mitmachen konnte“.
Während Estella mit Begeisterung und ihren neuen Kamerad:innen auch schon mal draußen im „Einsatzraum“ unterwegs war, entdeckte Tobias bei uns geradezu Gegensätzliches: die Vorzüge des Arbeitens allein daheim und vom Home Office aus. „Das war eine überaus erstaunliche Erkenntnis für mich“ gesteht er. „Wie viele BwConsulting-Mitarbeitende diese Möglichkeit nutzen – und wie gut und reibungslos dann das gemeinsame Arbeiten funktioniert.“
Das Resümee zu diesem Rollentausch fällt bei Estella und Tobias, nach ihren vielen unterschiedlichen Eindrücken, trotzdem nahezu identisch aus. „Ein relevanter Schritt, um das Zusammenspiel zwischen BwConsulting und Bundeswehr oder BMVg zu fördern, es noch effektiver und vertrauensvoller zu gestalten“, meint Tobias. „Wenn Estella zu euch in die Firma zurückkehrt, kann sie sicher viele hilfreiche Einblicke geben zur Bundeswehr und Kontext liefern. Für mich gilt das Gleiche nach der Rückkehr an unsere Bundeswehr-Logistikschule. Wenn man genauer und besser versteht, wie der andere tickt, befördert das zwangsläufig die Qualität der Zusammenarbeit.“
Pilotprojekt lernt fliegen
Die durchweg positive Resonanz durch die beteiligten Personen und Institutionen dieses Pilotprojekts soll deshalb nicht ohne Folgen bleiben. „Für das kommende Jahr sind drei weitere Piloten und im besten Falle auch eine Verstetigung unseres Austauschs geplant“, erklärt Andreas, der bei der BwConsulting den Rollentausch auch weiterhin begleiten wird.
Estella erläutert zum Abschluss, dass sie während ihrer Zeit schon einige gefestigte Denkmuster bei ihren Kontakten in der Kaserne aufbrechen konnte. Etliche Gesprächspartner vermuteten, „dass wir als Inhouse-Beratung etwas inhaltlich oder militärisch vorgeben wollen, was ja gar nicht der Fall ist. Die Offiziere an der Logistikschule fanden es deshalb sehr wichtig, dass wir als BwConsulting mit diesem Rollentausch den Willen und Wunsch zeigen, sich noch mehr in ihren Kosmos reinzufuchsen, unseren Hintergrund vertiefen zu wollen, um die Beratungsleistung noch besser machen zu können.“
Hoch auf dem Erntewagen
Und weil der Auftritt von Estella offenbar derart überzeugend gelang, wurde ihr zwischenzeitlich noch eine besondere Ehre zuteil. Wieder ging es für sie auf eine aufregende Fahrt, allerdings nicht mit einem Leopard 2, sondern ihr Platz war hoch oben auf einem bunt geschmückten Wagen, mit dem die Bundeswehr-Logistikschule am zweiten September-Wochenende am Garlstedter Erntefest-Umzug teilnahm.