Autorenteam BwConsulting und BMVg SE III 3 // Berlin, 10. Oktober 2023
Führungsfähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz innerhalb der Streitkräfte. Sie befähigt die Bundeswehr, ihren Auftrag durchzusetzen. Mit ihr kann Führungspersonal in klar definierten Strukturen passgenau seine Führungsaufgaben wahrnehmen – in personeller, technischer und organisatorischer Hinsicht. Welche gravierenden, positiven Effekte eine verlässliche Kommunikation, ein nachhaltiger Informations- und Datenfluss sowie die koordinierte Steuerung und Führung auf die Landesverteidigung haben, zeigt sich nur zu genau seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. In einer dreiteiligen Serie werfen wir den Blick auf eine Methode, mit der die Bundeswehr Führungsfähigkeit sicherstellt und bei der die BwConsulting berät.
Am 24. Februar 2022 überfielen russische Streitkräfte die Ukraine. Auf der einen Seite scheiterte die Anfangsphase der russischen Offensive aufgrund veralteter Führungsverfahren. Auf der anderen Seite behaupteten sich die ukrainischen Streitkräfte – trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit – auch durch die Nutzung innovativer Informations- und Kommunikationstechnik. Aktuell begleiten wir in diesem Zusammenhang ein Projekt im Verteidigungsressort, das mittels der sogenannten Operationellen Architektur (OpArch) das Fundament schaffen soll für die integrierte, zielgerichtete Führungsfähigkeit in der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) in Deutschland und innerhalb der NATO. In mehreren Beiträgen wollen wir das Konzept und die Methode dazu transparent machen.
Infobox
Begriff und Verfahren der „Operationellen Architektur“ sind der Geschäfts- und Prozessmodellierung entlehnt, werden aber auch auf die Konzeption von IT-Systemen angewendet. „Operationell“ bedeutet grundsätzlich: „Den Betrieb betreffend“ – Bei Streitkräften geht es bei diesen Betrieb um den Einsatz, den Kampf. Hierbei definiert die Methode die Quantität und Qualität von Datenaustauschbeziehungen. Gleichzeitig dient sie der strukturierten Planung, damit die Elemente in der Organisation zielorientiert zusammenwirken können.
Für die erfolgreiche Landes- und Bündnisverteidigung muss Führungsfähigkeit über alle Systeme kollektiver Sicherheit – denen die Bundesrepuplik Deutschland angehört – hinweg interoperabel und über das gesamte Kontinuum Frieden – Krise – Krieg gewährleistet sein. Das gilt für alle Mittel und Kräfte, die in einem solchen Szenario durch die Bundeswehr eingesetzt werden. Die Operationelle Architektur soll und kann dabei gewährleisten, dass alle Maßnahmen zur LV/BV exakt orchestriert, gebündelt – und damit maximal effektiv – umgesetzt werden können.
BMVG SE III 3
Die Abteilung Strategie und Einsatz (SE) ist insbesondere für die Leitung, Vorbereitung, Planung und Steuerung von Einsätzen verantwortlich, genauso wie für die Unterstützung des Generalinspekteurs der Bundeswehr in seiner Funktion als höchster militärischer Repräsentant der Bundeswehr in internationalen Gremien. Im Rahmen dessen betreut SE III 3 die Themen Führungs-unterstützung und Führungsorganisation und somit auch die Erhöhung der Führungsfähigkeit, ebenso wie strategische Personal-angelegenheiten, Betreuung und Fürsorge im Einsatz sowie die Missionsanerkennung.
In diesem Zusammenhang ist SE III 3 gemeinsam mit den Abteilungen Führung Streitkräfte (FüSK) und Cyber & Informationstechnik (CIT) auch für die Sicherstellung der Führungsfähigkeit für den deutschen Kräftebeitrag an der NATO-Ostflanke zuständig.
Unterstützt wird SE III 3 durch das Planungsamt der Bundeswehr, dass die Erstellung der Operationellen Architektur verantwortet und das Thema Multi Domain Operations erschließt. Das Planungsamt der Bundeswehr nimmt mit bundeswehr-gemeinsamer Perspektive Funktionen für den Generalinspekteur und unterschiedliche Abteilungen im BMVg wahr.
Mit Operationeller Architektur das Fundament für Führungsfähigkeit legen
Durch den Einsatz von modernen Führungsverfahren, IT-Systemen und der zunehmenden Vernetzung von Sensoren mit Effektoren wachsen Bedarf sowie Notwendigkeit zum digitalen, nachhaltigen, sicheren und verlässlichen Austausch von Informationen, bzw. Daten. Und das nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch im Rahmen der eingegangenen Bündnisverpflichtungen (NATO/EU/UN). Das Gefechtsfeld als Ganzes ist in den Fokus der Digitalisierung gerückt. Dabei schiebt sich auch die IT immer weiter nach „vorn“ an die Tactical Edge. Hier wird von Systemen und Netzen hinsichtlich Robustheit und Resilienz weit mehr verlangt als in einer Büro-Umgebung, für welche die meiste handelsübliche IT entwickelt wurde.
Um unter diesen Bedingungen die zielgerichtete Führungsfähigkeit gewährleisten zu können, benötigt die Bundeswehr ein stabiles Fundament für diesen Informationsaustausch – entwickelt wird dieses Fundament mit der Operationellen Architektur.
Das Gefechtsfeld als Ganzes ist in den Fokus der Digitalisierung gerückt. Dabei schiebt sich auch die IT immer weiter nach „vorn“ an die Tactical Edge.
Mittels der Operationellen Architektur wird also fixiert, auf welche Art und in welchem Umfang die einzelnen Akteure – entsprechend der jeweiligen militärischen Lage – miteinander kommunizieren beziehungsweise Informationen und Anweisungen weitergeben, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Operationelle Architektur in der Anwendung
In einem ersten Schritt werden die wesentlichen Anforderungen an die Führungsfähigkeit - was sie also zu leisten hat - in ein grundlegendes Architekturmodell übertragen, um daraus später die benötigten Fähigkeiten abzuleiten. Diese konkreten Anforderungen sind hinterlegt in zentralen Dokumenten, beispielsweise den konzeptionellen Zielvorgaben der Bundeswehr, den Operativen Leitlinien für die Streitkräfte sowie in NATO-Planungsdokumenten.
In einem zweiten Schritt wird über die Architektur definiert, wie die Führungsfähigkeit in einem Gefechtsszenar hergestellt werden soll und wie die nachhaltige Belastbarkeit sowie Funktionalität eines System- und Kommunikationsverbundes gewährleistet werden kann. Hierfür werden alle relevanten Prozesse erfasst – beispielsweise der sogenannte Targeting-Prozess, also die Identifizierung, Bewertung und Zuweisung von Zielen, oder auch der Prozess „Medical Evacuation“ für die Evakuierung von Verwundeten aus einem Kriegsgebiet.
Diese Prozesse werden klar definiert und zeigen die Verknüpfung mit und zwischen den Organisationselementen der Bundeswehr. Die Definition beinhaltet neben den daran beteiligten Akteuren und deren Aufgaben auch die wechselseitigen Informationsaustauschbeziehungen und -bedarfe. Mittels der Operationellen Architektur wird also fixiert, auf welche Art und in welchem Umfang die einzelnen Akteure – entsprechend der jeweiligen militärischen Lage – miteinander kommunizieren beziehungsweise Informationen und Anweisungen weitergeben, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Die Abbildung der Prozesse in der Architektur ermöglicht eine Ableitung, welche Bedarfe militärisches Führungspersonal auf dem Gefechtsfeld hat, um den Auftrag zu erfüllen und im Gefecht erfolgreich zu sein. Dabei geht es neben den IT-Services auch um die Hardware, welche für die Kommunikation benötigt wird.
Im Rahmen der Operationellen Architektur werden somit Fundament, Gerüst und Struktur definiert, um in einem dynamischen Umfeld sicherzustellen, dass die Führungsfähigkeit auch im Ernstfall der Landes- und Bündnisverteidigung gewährleistet ist. Zugleich bietet dieser Ansatz die Gewähr, dass auch bei sich verändernden Bedarfen die schnellstmögliche Verbesserungen der Handlungsfähigkeit durch veränderbare oder passgenaue, neue Bauteile sichergestellt ist.