Interview mit BwConsulting-Beirat Dr. Levin Holle

Zwischen Wirtschaft und Staatsdienst

Interview mit BwConsulting-Beirat Dr. Levin Holle

Zwischen Wirtschaft und Staatsdienst

RM // Köln, 12.05.2021

An unterschiedlichen Einblicken mangelt es ihm sicher nicht: Dr. Levin Holle war Partner in einer internationalen Managementberatung, über viele Jahre Abteilungsleiter im Finanzministerium und ist nun seit etwas mehr als einem Jahr Finanz- und Logistikvorstand der Deutschen Bahn AG. Außerdem begleitet der Oberleutnant der Reserve bereits seit 2017 die BwConsulting als Mitglied des Beirats. Wir sprachen mit ihm über seine Erfahrungen aus Staat und Wirtschaft sowie die Rolle, die interne Beratungen in Organisationen spielen können.

Herr Dr. Holle, Sie haben sich beruflich viel zwischen den unterschiedlichen Sphären Wirtschaft und Staatsdienst bewegt. Was motiviert Sie dazu?

Levin Holle: Staat und Wirtschaft sind nicht so getrennte Sphären, wie sie manchmal gesehen werden. Für ein stabiles Gemeinwesen müssen beide Sphären in sich gut funktionieren und gut zusammenwirken. Außerdem gibt es für beide Ordnungssysteme eine ganze Reihe von gemeinsamen Erfolgsfaktoren. Beispielsweise gute Führung, Zukunftsorientierung oder Veränderungsfähigkeit als Faktoren für eine erfolgreiche Entwicklung, um nur wenige Punkte zu nennen.

Zu Ihrer Frage nach der Motivation möchte ich drei Aspekte nennen. Erstens finde ich Neues spannend und empfinde deshalb den Wechsel in eine andere Sphäre als Bereicherung, auch wenn ich dabei jeweils wieder viel lernen muss. Zweitens interessiert mich, wo ich gestalten kann. Diese Möglichkeiten haben sich mir sowohl in Unternehmen als auch in staatlichen Organisationen geboten. Auch meine Zeit in der Beratung habe ich als sehr gestalterisch wahrgenommen, weil hier kreatives und unkonventionelles Denken gewünscht ist. Hinzu kommt ein dritter Aspekt. Das Funktionieren des Gemeinwesens hat für mich einen großen Stellenwert. Meine Tätigkeit bei der Deutschen Bahn gibt mir die Gelegenheit, mich dafür einzusetzen: Ein Bundesunternehmen, das seinen Beitrag zum Gemeinwohl durch klimafreundliche Mobilität und Logistik leistet.

Lassen Sie uns das Sphären-Bild noch einmal aufgreifen. Auch wenn die Sphären nicht so unterschiedlich sind, haben Ihnen die Stationen dennoch verschiedene Einblicke ermöglicht. Sind Ihnen spezifische Merkmale aufgefallen, vor allem bezüglich der von Ihnen angesprochenen Entwicklungsfaktoren?

Ich glaube, ein besonderes Merkmal in der Wirtschaft ist der Innovationstrieb. Nur so können Unternehmen dauerhaft auf dem Markt bestehen. Ein hinreichendes Maß an Risikobereitschaft ist dabei erforderlich, um das Wagnis der Innovation einzugehen. Staatliche Einrichtungen sind da häufig anders orientiert, sie sollen eher Risiken abwehren und Sicherheit garantieren. Bundesunternehmen wie die Deutsche Bahn, in denen sich Unternehmertum und Staatsauftrag begegnen, müssen sich in diesem Spannungsfeld bewegen können.

Bei der Führung staatlicher Organisationen stellt die Schnittstelle zwischen Verwaltung und Politik eine besondere Herausforderung dar. Auch hier handelt es sich ein Stück weit um unterschiedliche Sphären. Gute Führung muss fachlich exzellente Verwaltung beherrschen und gleichzeitig den vielen, insbesondere kommunikativen Anforderungen aus der politischen Sphäre gerecht werden. Es gibt großartige Fachleute in der staatlichen Verwaltung. Gleichzeitig sind lange fachliche Karrieren ohne Wechseln in andere Bereiche manchmal eine Herausforderung an die Innovations- und Veränderungsfähigkeit – die große Fachlichkeit sowie die Strukturen wirken hemmend auf eine querschnittliche Sicht. Hier, meine ich, könnte der Staat von mehr Querwechseln profitieren.

Richtig eingesetzt – wirken interne Beratungen als Katalysator und Beschleuniger für notwendige Veränderungen.
Sie können eine Beratungs-, Ministeriums- und Unternehmenssicht auf solche Themen einnehmen. Was können interne Beratungen hier leisten?

Richtig eingesetzt – wirken interne Beratungen als Katalysator und Beschleuniger für notwendige Veränderungen. Sie können dadurch ein sehr effektives Werkzeug für die jeweilige Führung sein.

Können Sie dies näher beschreiben?

Gerne. Die internen Beratungen, die ich kenne, werden meistens auf jene Themen gesetzt, die für die Führung besondere Relevanz haben. So ist es bei der Deutschen Bahn und ja auch bei der BwConsulting. Dabei gestalten sie Best Practices mit und können diese dann an anderen Stellen in der Organisation für die Projektpartner nutzbar machen. Sie ermöglichen so innerhalb der Organisation den Blick über den Tellerrand. Gleichzeitig – und auch das ist für die Führungsebene wichtig – können sie die Projektgeschwindigkeit erhöhen, da sie sowohl die Organisation kennen wie auch Grundsätze für erfolgreiches und schnelles Projektmanagement beherrschen. Außerdem bringen interne Beratungen ein zusätzliches Maß an Innovation in die Lösungsfindung ein. Sie sind weniger belastet durch Bereichshistorien und können dadurch freier denken – ohne dabei die Spezifika der Organisation aus den Augen zu verlieren.

Unterscheiden sich in Ihrer Wahrnehmung interne Beratungen zwischen Konzernen und dem Public Sector?

Soweit ich das beurteilen kann, gibt es aus meiner Sicht mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Sie sind in beiden Fällen schnell verfügbare Instrumente, stärken Veränderungsprozesse und haben eine recht hohe Drehzahl. In Konzernen werden sie vielleicht mehr daran gemessen, einen positiven GuV-Beitrag zu leisten. Und im Public Sector werden sie möglicherweise stärker dazu gebraucht, Managementmethoden und Projektfähigkeit zu etablieren. Aber im Kern leisten sie das Gleiche.

Einen signifikanten Unterschied gibt es in der Verbreitung: Während es kaum ein großes Unternehmen ohne interne Beratung gibt, ist ihre Zahl in Ministerien und Behörden noch sehr gering – auch wenn hier gerade ein Umdenken stattfindet und das Interesse spürbar steigt. Diesen Sinneswandel begrüße ich. Denn solche innovativen Einheiten ermöglichen mehr Agilität und Flexibilität in staatlichen Organisationen, gleichzeitig können sie Querwechseln, Erfahrungs- und Methodenaustausch zwischen Privatwirtschaft und Public Sector leichter und attraktiver machen: Ein Plus an Expertise und unterschiedlichen Perspektiven auf beiden Seiten.

Sie gehören dem Beirat der BwConsulting seit seiner Gründung an und haben unsere Entwicklung eng begleitet. Welche Impulse möchten Sie hier in Zukunft einbringen?

In den vergangenen Jahren hat die BwConsulting einen steilen Wachstumspfad gemeistert. Dies gilt sowohl für die personellen Ressourcen, um der Nachfrage besser gerecht zu werden, als auch für die Weiterentwicklung der Beratungskompetenzen, orientiert am Bedarf des Verteidigungsministeriums. Im Beirat möchte ich durch Fragen Impulse geben, wie das Unternehmen das Erreichte konsolidieren und sich noch weiter verbessern kann. Zudem ist es wichtig, im Austausch mit dem Ministerium den Mehrwert zu verdeutlichen, der hier für die Bundeswehr entstanden ist, und wie die BwConsulting künftig optimal eingesetzt werden kann. Hinzu kommt, dass ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrung im Finanzministerium und meine Rolle bei der Deutschen Bahn spezifische Impulse geben kann, beispielsweise in den Feldern Einkauf, Beschaffung oder Mobilität der Zukunft– auch für Streitkräfte wichtige Themen.

Herr Dr. Holle, habe Sie vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person
Nach Studium, juristischem Referendariat und Promotion war Dr. Levin Holle fast 15 Jahre für die Unternehmensberatung Boston Consulting Group tätig und leitete dort zuletzt das Berliner Hauptstadtbüro. Anfang 2012 übernahm er die Leitung der Abteilung Finanzmarktpolitik im Bundesministerium der Finanzen. Seit dem 1. Februar 2020 ist Dr. Holle Vorstand Finanzen und Logistik der Deutschen Bahn AG.

Wie alle anderen Beiratsmitglieder auch, übt er die Beiratstätigkeit bei der BwConsulting ehrenamtlich aus.