Vortrag bei 33. Sicherheitspolitischen und Wehrtechnischen Tagung

Europäisierung der Verteidigung

Vortrag bei 33. Sicherheitspolitischen und Wehrtechnischen Tagung

Europäisierung der Verteidigung

RM // Bonn, 06.12.2019

Warum benötigen wir eine Europäisierung der Verteidigung? Was hat Europa auf diesem Weg bereits erreicht? Und wie kann es weitergehen? Diese Fragen diskutierte Christian Fischbach, bei der BwConsulting verantwortlich für das Themenfeld Strategie, mit den Teilnehmern der 33. Sicherheitspolitischen und Wehrtechnischen Tagung des Mittler Report Verlags am 6. Dezember in Bonn.

Bei der Frage nach dem Warum zog Christian einen weiten historischen Bogen. Den Beginn des Europäisierungsgedankens in Deutschland verortet er bereits im Grundgesetz, das in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden ist: „Schon in der Präambel unserer Verfassung steht, wir wollen als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen. Europäisierung zählt damit zu den Grundlagen unseres Staates.“ Über die Zwei-Säulen-Strategie der NATO, die gleichermaßen auf eine US-amerikanische und eine starke europäische Säule setzt, kam er dann auf die Berlin-Plus-Vereinbarung von 2003 zwischen der NATO und der EU. Diese setze den Gedanken eines einigen Europas fort, geradezu als Grundvoraussetzung für ein wirkungsvolles militärisches Handeln Europas.

Militärische Fähigkeiten

Doch die politische Ebene sei die eine Seite bei diesem Thema. Die andere sei der Bereich der konkreten militärischen Fähigkeiten. „Hier ist die Europäische Verteidigung immer noch sehr zersplittert“, hielt Christian fest. „Europa betreibt 178 unterschiedliche Waffensystem-Typen, die USA im Vergleich nur 30 Typen.“ Mit Blick auf die deutlich geringeren Verteidigungsausgaben Europas bedeute dies, dass sich die Staaten auf dieser Seite des Atlantiks mit weniger Finanzmitteln eine mehrfach höhere Variantenvielfalt leisten würden. „Dies wird umso dramatischer durch das aktuelle sicherheitspolitische Umfeld, das ein Abdecken sämtlicher Bündnisaufgaben fordert – von humanitärer Hilfe über Rettungs- und Evakuierungsszenarien hin zu friedensschaffenden Maßnahmen und kollektiver Verteidigung“, so Christian weiter.

Europäische Initiativen

Allerdings bewege sich Etwas. Es gäbe zahlreiche Initiativen, mit denen die europäischen Staaten die Verteidigungsunion vorantreiben würden. So würden durch die ‚Koordinierte jährliche Überprüfung der Verteidigungsausgaben (CARD)‘ erstmals systematisch Kooperationspotenziale bei der Fähigkeitsplanung ermittelt. Mit der ‚Ständigen strukturierten Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen (PESCO)‘ habe die EU ein Format zur Identifizierung von Kooperationsprojekten gefunden. Und über den ‚Europäischen Verteidigungsfond (EDF)‘ könnten insbesondere Forschungs- und Entwicklungsaufgaben gemeinsam finanziert werden. Gerade hier sieht der Berater große Chancen: „Lassen Sie es mich deutlich sagen: der Europäische Verteidigungsfonds wird im Bereich Forschung und Entwicklung der größte Player in Europa sein. Solcherart effiziente, stabil finanzierte Forschung wird für europäische ‚Game Changer‘ auf dem strategischen wie operativen Tableau sorgen.“

Institutionalisierung und Integration als Chancen

Mit Blick nach vorne sieht Christian zwei Punkte. „Auf der einen Seite sollte die Europäische Verteidigung stärker institutionalisiert werden, damit die Initiativen wie CARD, PESCO und EDF dauerhaft ihren Platz finden.“ Möglichkeiten würden hier die bereits angekündigte Einrichtung einer Generaldirektion ‚Verteidigungsindustrie und Weltraum ‘ bei der Europäischen Kommission sowie ein entsprechender Vollausschuss beim Europäischen Parlament bieten. Darüber hinaus auch ein vollwertiges Verteidigungsminister-Gremium im Europäischen Rat und ebenso ein zivil-militärisches Koordinierungselement zwischen Rat und Kommission.

Zum anderen sollte die integrierte Zusammenarbeit von staatlicher militärischer Planung und industrieller Fähigkeitssicht gefördert werden. „Die heutigen Verfahren sind noch sehr stark sequenziell geprägt: Erst werden durch die Nutzer gemeinsame funktionale Bedarfe ermittelt, dann finden sich industrieseitige Konsortien, die diese Bedarfe abschließend decken können – was zu einer sehr langsamen Identifikation von kooperativen Projekten führt. Eine frühzeitige und kontinuierliche Abstimmung zwischen Industrie und Streitkräften kann hier große Beschleunigungseffekte ermöglichen“, so Christians abschließende Empfehlung.